Die eigenen vier Wände als Ziel

Sascha Hak auf dem Balkon seiner Wohngruppe

Sascha Hak auf dem Balkon seiner Wohngruppe

Sascha Hak wohnt seit 2001 in einer Wohngruppe von leben + wohnen in Lörrach. Er fühlt sich dort wohl, ein engmaschiges Betreuungsnetz gibt ihm die nötige Sicherheit. Sein Traum ist aber ein Leben in einer Wohngemeinschaft außerhalb der Einrichtung. Mit einem Probewohnen ist Hak diesem Ziel einen Schritt näher gekommen, hat dabei aber auch seine Grenzen erfahren.

Sascha Hak genießt auf dem Balkon seiner Wohngruppe die Sonne, die dicke Jacke hängt über der Lehne seines Elektrorollstuhls. Die Vesperpause im großen offenen Küchenbereich der Wohngruppe zusammen mit seinen acht Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern ist zu Ende. Vor dem Gespräch schließt Hak die Balkontür hinter sich. „Hier hören gerne viele Ohren mit“, ruft ein Mitbewohner lachend hinterher.

Haks Arbeitsbeginn in der Werkstatt der Lebenshilfe in Lörrach-Haagen im August 2001 fällt mit dem Einzug auf die Wohngruppe bei leben + wohnen zusammen. Seit 2002 sind die MitbewohnerInnen auf seiner Wohngruppe in der Teichmattenstraße in Lörrach die Gleichen. Neben seinem eigenen Zimmer und der schönen Lage des Hauses an der Wiese ist das ein Pluspunkt auf Haks Wohlfühl-Liste. Dennoch bleibt der Wunsch des eigenständigen Lebens außerhalb der Einrichtung bestehen.

Zusammen mit seiner Freundin hat Hak die ersten konkreten Schritte gemacht. Er lernt sie 2010 kennen, sie wohnt zu dieser Zeit noch bei den Eltern. Das über zwei Jahre laufende Wohnschulprojekt der Lebenshilfe Lörrach ebnet ihr den Weg, zuhause auszuziehen. Im Projekt lernt sie neben alltagspraktischen Dingen – kochen, waschen, putzen, einkaufen – auch sich selbst und ihre Kompetenzen kennen. Daran schließt sich 2014 die Gründung einer Wohngemeinschaft an, zusammen mit drei anderen jungen Menschen mit einer Behinderung.

Auch Hak absolviert ein Wohntraining, dies jedoch innerhalb von leben + wohnen. Marion Hauche, pädagogische Leiterin für den Bereich Wohnen, spricht von einem eher theoretischen Konzept, jedoch mit praxisbezogenen konkreten Fragestellungen, die Hak anzupacken hat: Wie plane ich meinen Alltag und meine Freizeit? Wie backe oder bestelle ich eine Pizza? Was muss ich tun, wenn mein Rollstuhl defekt ist? Und: Wie organisiere ich mir meine Assistenten? Für Hak, der als Tetraspastiker auf umfassende Hilfe angewiesen ist, eine immens wichtige Frage.

Praktisch umgesetzt wird das Erlernte 2013. Rückblickend auf diese zwei Wochen „Hardcore-Wohnen“ in einer Wohnung der Lebenshilfe zusammen mit seiner Freundin gerät er ein bisschen ins Schwärmen. „Das war ganz anders als hier in der Wohngruppe. Nach der Arbeit kam ich nach Hause, wir hatten mehr unsere Ruhe. Wir haben geklärt, was noch zu tun ist, die Assistenten kamen und haben geholfen.“ Er merkt jedoch auch: Es ist niemand vor Ort, der die Struktur des Tages und des Abends vorgibt. Er muss selbst entscheiden: Zu welcher Uhrzeit muss der Assistent kommen? Für welche Dinge benötige ich ihn tatsächlich? Was muss ich tun, wenn Unvorhergesehenes passiert? Hak merkt, dass er dabei an seine Grenzen stößt.

Zudem stellen sich Fragen, auf die er zum jetzigen Zeitpunkt keine befriedigende Antwort hat: „Was kann ich alleine? Wie viel Assistenz kann ich mir finanziell leisten? Wie gebe ich einem Assistenten genaue Anweisungen? Was passiert, wenn meine Freundin ins Krankenhaus muss? Wer kann für sie einspringen? Wie geht es weiter, wenn meine Freundin und ich kein Paar mehr sind? Finde ich einen neuen WG-Bewohner? In welchem Umfang wird mein Hilfebedarf zukünftig steigen?“

Bei aller Unsicherheit ist eines sicher: In das Wohnheim von leben + wohnen könnte Sascha Hak nicht mehr zurück, denn nach seinem Auszug würden sein Platz und sein Zimmer umgehend mit einer anderen Person belegt. Die Lösung für Sascha Hak kann eine Wohnung in der Nähe von leben + wohnen sein, so Marion Hauche, bei Bedarf ist dann jemand schnell vor Ort. Diese Wohnung gibt es jedoch noch nicht.

So bleibt es zunächst dabei, dass Hak jedes zweite Wochenende bei seiner Freundin in der WG ist oder sie ihn bei leben + wohnen besucht. Eine gemeinsame Lebensplanung in der eigenen Wohnung existiert zum jetzigen Zeitpunkt nur in ihren Köpfen.